FÜLLE

 

Wir waren vor kurzem bei einem Konzert. Es war ein echtes Erlebnis, so schön wie Weihnachten. Normalerweise mag ich keine Menschenmassen (es waren 5500 Leute in einer Halle), aber es war eine freundliche Menschenmenge. Und die Show war so gut. Die Stimmen, die Gitarren, das Klavier, die Lichteffekte! Wie im Himmel! Mein Herz war ganz voll vor Freude und Genuss! Der Künstler (J. Collier) hat uns Publikum auch als ganzen Chor dirigiert und uns angeleitet, aufeinander zu hören. Es war kein christliches Konzert, aber es hat sich so angefühlt, als würden wir alle zusammen Gottesdienst feiern, so andächtig und liebevoll war die Atmosphäre. Ich bin Gott sehr dankbar für dieses einmalige Erlebnis.

Am Tag zuvor waren wir beim Begräbnis einer lieben Freundin. Die große Kirche war randvoll und viele Leute haben nicht nur Abschied genommen, sondern sind auch berührt worden. Eine Predigt über Heilsgewissheit gibt es nicht so oft in der katholischen Kirche und die Lieder von unseren Freunden waren auch so schön. Es wurde auch ihr Lebenslauf vorgelesen und Maria hat ein bewegtes Leben hinter sich, sie hat sogar den Dalai Lama und Mutter Teresa getroffen, als sie jung und auf der Suche war. Mutter Teresa hat ihr damals gesagt, sie soll Jesus fragen, was sie tun soll. Was für interessante Leben es gibt! Ich liebe es, solche Geschichten zu hören. Stille Wasser sind tief. Wie viele spannende Geschichten es wohl in meinem Umfeld gibt? Was haben manche Leute schon alles erlebt? Wie viel tut Gott in den Menschen, ohne dass ich davon weiß?

Auch im Gefängnis, wo ich manchmal den Lobpreis im ökumenischen Gottesdienst leite, hab ich schon viel von dem Pfarrer dort lernen können. Er hat mich letzte Woche beim gemeinsamen Mittagessen daran erinnert, Menschen nie in gut und böse einzuteilen. (Und da haben wir nicht über Straftäter, sondern über politische Ansichten geredet…) Ich tappe immer wieder in Vorurteils- und Schubladendenken, muss ich gestehen. Aber es gibt keinen Menschen, von dem ich nicht etwas lernen könnte. Ich möchte andere nicht verurteilen. Auch wenn ich noch so überzeugt von meiner Meinung bin und die Gegenseite absolut unlogisch scheint. Auch wenn ich meine, für das Gute kämpfen zu müssen. Meinen nächsten zu lieben, schließt auch Andersdenkende mit ein. Und diese Haltung macht mich demütig, dankbar und frei. Ich hoffe, ich vergesse sie nicht wieder so schnell.

Noch etwas, das ich in letzter Zeit übe: Leben aus der Fülle statt Leben im Mangel. Ich habe früher oft aus einem Gefühl des Mangels oder des Verzichts heraus gelebt. War extrem sparsam. Durch den Minimalismus bin ich aber jetzt eh sehr bewusst mit Einkaufen und kann mir manchmal bewusst etwas gönnen. Klar, man kommt mit ganz wenig aus. Man braucht nicht wirklich eine Geldtasche. Aber ich darf mir auch etwas gönnen und genießen. Mir und den anderen. Und das tut echt gut. Und jetzt hab ich eine sehr hübsche Geldtasche. Ich will großzügig sein, weil Gott großzügig ist. Manchmal spür ich da so ein bisschen von dem Segen, der möglich ist. Dabei geht es nicht um die Gabe an sich, sondern um das Gefühl dabei. Bewusste Dankbarkeit. Ich werde das weiterverfolgen. Der Advent ist eine gute Zeit dafür, bewusst zu genießen. Freude zu empfangen und weiter zu schenken. Leben aus der Fülle in Gott zu lernen. 

O wie ich mich schon auf den Schnee und das Rodeln freue! 

 

 

Denn er ist es, der uns mit allem reich beschenkt, damit wir es genießen können.

1. Timotheus 6, 17